GEMEINNÜTZIGE EINRICHTUNG ZUR FÖRDERUNG DER GEORG-AUGUST-UNIVERSITÄT GÖTTINGEN
Dissertationspreis des Universitätsbundes
Der Dissertationspreis des Universitätsbundes, gefördert durch die AKB-Stiftung, wird für eine oder zwei
herausragende Dissertation aus dem jeweils letzten Kalenderjahr verliehen. Alle Fakultäten der Universität
Göttingen sind berechtigt, hierzu eine mit „summa cum laude“ bewertete Arbeit vorzuschlagen.
Ein Auswahlgremium des Universitätsbundes unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Stephan von Cramon-
Taubadel entscheidet über die Preisvergabe.
Preisträger 2023
Dr. Anas Emad
- Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie
Messung des Gas-Austausches zwischen Land und Atmosphäre:
Erweiterung der Theorie und Implementierung der true eddy
accumuluation und eddy covariance Messverfahren.
Der Austausch von Treibhausgasen wie CO2, N2O, CH4 und
anderen Substanzen wie Ozon, volatile Kohlenstoffverbindungen
und Partikeln zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre
liefert wichtige Erkenntnisse über den Zustand der Umwelt, von der
lokalen Luftqualität bis zum globalen Klimawandel. Doch seit
Jahrzehnten tun sich Wissenschaftler schwer, diese
Austauschraten für viele wichtige Gase und Partikel genau zu
messen, da sie spezielle, schnell reagierende Sensoren benötigen.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurde in den 1970er
Jahren eine Klasse von Methoden vorgeschlagen, die als eddy
accumulation bekannt ist (bei der der Gasaustausch durch die
Entnahme von Luftproben auf der Grundlage der atmosphärischen
Turbulenz gemessen wird), die jedoch aufgrund theoretischer und
praktischer Einschränkungen bisher nur begrenzt eingesetzt
wurde.
Aufbauend auf diesen früheren Ideen hat die Arbeit von Dr. Anas
Emad die Theorie und Anwendung der eddy accumulation
weiterentwickelt und zum Durchbruch gebracht. Es wurde ein
neuer theoretischer Rahmen vorgeschlagen, um die Performanz
unter realen Bedingungen zu verbessern, z.B. bei
unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten und unterschiedlicher
atmosphärischer Stabilität. Es wurde ein flexiblerer Ansatz für die
Luftprobenahme entwickelt, der die Konstruktion und den Betrieb
von eddy accumulation Systemen erleichtert. Darüber hinaus
wurde eine neue direkte Methode zur Korrektur des
Sensorverhaltens eingeführt, um Unsicherheiten zu minimieren
und die Zuverlässigkeit der atmosphärischen Messungen zu
verbessern. Diese theoretischen und technischen Fortschritte
wurden durch Feldkampagnen validiert, die eine sehr gute
Übereinstimmung mit anderen Methoden zeigten.
Durch diese Arbeit wurde die Methode der eddy accumulation zu
einem leistungsstarken neuen Werkzeug, mit dem dringende
Umweltprobleme untersucht werden können, z. B. die
Quantifizierung von allen möglichen Treibhausgasflüssen, die
Messung von Luftschadstoffemissionen und die Untersuchung der
Reaktionen von Ökosystemen auf den Klimawandel.
Diese Arbeit wurde durch das Programm
“Wissenschaft.Niedersachsen.Weltoffen” des Niedersächsischen
Ministeriums für Wissenschaft und Kultur gefördert und durch Dr.
Lukas Siebicke und Prof. Alexander Knohl (Abt. Bioklimatologie)
betreut.
Dr. Carlos Mendoza Cruz
-
Juristische Fakultät
Herr Mendoza Cruz beschäftigt sich in seiner Dissertation mit der
Frage nach der Rechtfertigung staatlicher Strafe. Die staatliche
Strafe stellt die schwerste Form des rechtlichen Eingriffs des
Staates in das Leben der Menschen dar. Deshalb ist die Frage
nach ihrer Rechtfertigung besonders wichtig. Zur Rechtfertigung
gibt es zwei große Alternativen: Vergeltung oder Prävention.
Während die Präventionstheorien lange vorherrschend waren,
traten in der jüngeren Vergangenheit auch die
Vergeltungstheorien wieder stärker in den Vordergrund. Herr
Mendoza Cruz untersucht die Rechtfertigung der Strafe durch
Vergeltung. Er beantwortet die Frage nach dem Begriff der
Vergeltung durch die Infragestellung der bisher häufig
angenommenen Absolutheit ihrer wesentlichen Eigenschaften. Er
begründet sowohl historisch als auch analytisch auf
überzeugende Weise, warum die Vergeltungstheorie einer Art von
Straftheorien zugeordnet werden muss, welche auch relative
Momente einbezieht, und zwar diejenigen des sog.
„Retributivismus“. Dies hat zur Folge, dass die verbreitete
Etikettierung der Vergeltung als zwecklos, rigoros, rein,
umfassend oder grausam nicht aufrechterhalten werden kann.
Herr Mendoza Cruz legt in seiner Dissertation die Grundlinien
einer Metatheorie des Retributivismus vor. Drei These bilden ihren
Kern: Die Strafe instanziiert einen intrinsischen Wert. Die Strafe
gleicht das negative Verdienst des Täters aus. Die Strafe trägt zur
Verwirklichung der Gerechtigkeit bei. Diese Neubewertung des
Begriffes der Vergeltung erlaubt es, eine partikuläre (normative)
Vergeltungstheorie als die richtige Rechtfertigung der Strafe
anzusehen. Herr Mendoza Cruz zeigt dies am Beispiel Immanuel
Kants: Wäre unsere Würdigung der Strafrechtstheorie Kants nicht
durch die Suche nach einer absoluten Straftheorie verstellt, so
wären wir nicht dazu gezwungen, gewisse Relativierungen in
kantischen Äußerungen als Widersprüche zu verstehen.
Herr Mendoza Cruz legt ausführlich dar, wie Kants Lehre des
Strafrechts sich als eine kohärente Version eines solchen
„relativen Retributivismus“ auffassen lässt, welche angemessen
zwischen Freiheit, Recht, Gerechtigkeit, Vergeltung und
Menschenwürde vermittelt. Damit hat er neben der sehr
originellen sachlichen Neubewertung der Vergeltung auch eine
neue und überzeugende Interpretation der Strafrechtstheorie
Kants vorgelegt. Herr Mendoza Cruz hat mit seiner Dissertation
also sowohl in sachlicher als auch in interpretatorischer Hinsicht
Bahnbrechendes für die Strafrechtstheorie geleistet.
Liste vorheriger Preisträger
Foto: privat
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